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Brot für die Welt

Eröffnung der 53. Aktion Brot für die Welt

„Es ist nicht gut, was ihr tut“

Heidemarie Wieczorek-Zeul predigt am 27. November 2011 in der Dankeskirche gegen Landgrabbing (die Predigt finden Sie hier).

Zwölf Euro Pacht für einen Hektar Land: Was zunächst wie ein gutes Geschäft klingt, erweist sich für die Kleinbauern in Sierra Leone als direkter Weg in den Hunger. Denn in dem kleinen Land in Westafrika können von einem Hektar Land 5 Menschen leben – 12 Euro Jahrespacht ernähren sie nicht.

Die Szene, die Bad Nauheimer Konfirmanden im Gottesdienst in der Bad Nauheimer Dankeskirche nachgestellt haben, passiert tagtäglich real in den armen Ländern der Welt. Brot für die Welt hat darum dieses so genannte „Landgrabbing“ zum Thema seiner neuen Spendenaktion gemacht, die am Sonntag mit dem Gottesdienst  in BadNauheim eröffnet wurde.

Dekan Jörg-Michael Schlösser und Pfarrer Dr. Ulrich Becke gestalteten gemeinsam den liturgischen Teil, die Predigt  hielt eine Frau die dieses Thema seit vielen Jahren kennt: MdB Heidemarie Wieczorek-Zeul, ehemalige Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Sie rechnete vor, was die Versprechungen ausländischer Investmentfirmen für die Kleinbauern bedeuten: Wo vorher fünf Menschen Lohn und Brot von einem Hektar Ackerland hatten, entsteht im industriellen Anbau gerade einmal 0,01 Arbeitsplatz pro Hektar beim Mais und 0,35 beim Zuckerrohr. Dafür haben die örtlichen Kleinbauern Verträge unterschrieben, die sie als Analphabeten oft nicht einmal lesen konnten. Bis zu 100 Jahren laufen einige solcher Pachtverträge. 227 Millionen Hektar haben so in den letzten zehn Jahren den Besitzer oder Nutzer gewechselt – das entspricht einer Fläche in der Größe Westeuropas. Hinzu kommt, dass 70 % dieser von ausländischen Investoren gekauften oder gepachteten Flächen in Afrika liegen – einem Kontinent, in dem 300 Millionen Menschen hungern.

Die Politikerin, die auch bereits Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland war, zeigte sich bibelfest: Aus dem Buch Nehemia im Alten Testament zitierte sie die Forderung des Propheten nach Schuldenerlass und Rückgabe des verpfändeten Landes. „Es ist nicht gut, was ihr tut“ ruft Nehemia den Gläubigern von damals zu und diesem Aufruf nachgehend, fragte Wieczorek-Zeul, was Christen heute tun können. Es gehe nicht ums Miesmachen, doch könne jeder Einzelne seinen Nahrungsmittelkonsum kritisch hinterfragen und vermehrt Produkte aus fairem Handel kaufen.

Für ihre eigene christliche Überzeugung sei ein Satz  des früheren Generalsekretärs des Ökumenischen Rates der Kirchen, Willem Visser’t Hooft, wichtige Mahnung: „Uns muss klar werden, dass die Kirchenglieder, die in der Praxis ihre Verantwortung für die Bedürftigen irgendwo in der Welt leugnen, ebenso der Häresie schuldig sind, wie die, welche die eine oder andere Glaubenswahrheit verwerfen.“

Dass dieser Satz in Bad Nauheim ein Echo findet, zeigt der Erfolg des rührigen Arbeitskreises Brot für die Welt. Am ersten Advent des Vorjahres hatten die Mitglieder einhundert „Staffelhölzer“ von Brot für die Welt in der evangelischen Kirchengemeinde verteilt. An diesem ersten Advent 2011 sollten sie nun, gefüllt mit Münzen und Scheinen, zurückgebracht werden. Rainer Kreutz vom Arbeitskreis fragte, wie viele dieser Hölzer wohl den Weg zurück gefunden hätten und im vollbesetzten Kirchenschiff gingen viele Hände nach oben.

Zu besinnlicher Orgelmusik von Kantor Frank Scheffler legten die Gottesdienstbesucher „ihre“ Staffelhölzer, die sie ein Jahr bei Freunden und Bekannten herumgereicht hatten, wieder vor dem Altar ab. Dass sie mit ihrer Gabe „etwas Großes geleistet haben“ verdeutlichte Rainer Kreutz mit einer einfachen Rechnung. In Bangla Desh unterstützt Brot für die Welt Menschen, indem jede Familie zwei eigene Ziegen erhält. Nur zehn Euro koste so ein Ziegenpaar, so Kreutz. Man hätte gerne gewusst, wie viele Ziegen da in den vielen Hölzern vorm  Alter versammelt waren.

Dass die Menschen aus den armen Ländern im Bad Nauheimer Gottesdienst auch Gesicht und Stimme erhielten, dafür sorgte der Chor der ghanaischen Gemeinde aus Frankfurt. Mitreißend und rhythmisch, aber auch zart und anrührend zeigten die acht Frauen und Männer, dass Afrika ein Kontinent der Lebensfreude ist. „Sie haben den Gospel zu uns gebracht“, dankte Pfarrer Becke den Sängern, die „gute Nachricht“ von Jesus Christus, wie Gospel in der deutschen Übersetzung heißt.
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