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„Weihnachten – wie es war“

Kaum ist er auf der Bühne angekommen, stellt Walter Renneisen seine Vitalität und seine Freude am gesprochenen Wort unter Beweis: Die ersten Minuten der Lesung mit dem bekannten und beliebten Schauspieler und Rezitator am Abend in der Wilhelmskirche sind Kinderbriefen an den Weihnachtsmann gewidmet. Ein Hauch von „Weihnachten, wie es war“ schwingt da durch den Raum, und bei manch einem Zuhörer werden wohl Erinnerungen an die eigene Kinderzeit wach. „Erinnerungen sind der einzige Besitz, den uns niemand stehlen kann“, zitiert Rennesien später Erich Kästner. Da hat er schon einen weiten weihnachtlichen Bogen gespannt, mit Texten von Rainer Maria Rilke, Ringelnatz, Astrid Lindgren bis hin zu Joseph von Eichendorff, dessen Weihnachtsgedicht eine Dame im Publikum vernehmlich mitsprechen kann. Doch auch bekannte Texte sind hier allemal hörenswert – von einem Schauspieler, der die Texte nicht nur liest, sondern die Figuren dabei lebendig macht, sie lachen und weinen lässt und so für einen schnellen Wechsel zwischen humoristischen und nachdenklichen Passagen sorgt. Komische Begebenheiten kommen ebenso zur Sprache wie die Schattenseiten, die das Weihnachtsfest mitunter auch bereithält, etwa die Einsamkeit älterer Menschen, die nie im Jahr so spürbar wird wie an diesen Tagen.

Nach der Pause erfreut Renneisen seine Zuhörer an diesem Abend mit Anekdoten, Erzählungen, Sprüchen und Sprachschnipseln in hessisch und über die Hessen. Der in Allendorf geborene und in Raunheim aufgewachsene Schauspieler kann hier aus seinem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen, der ihm nicht nur die Eigenheiten der hessischen Zunge vertraut gemacht hat, sondern auch die Unterschiede zwischen oberhessischem und südhessischem Dialekt. Und so kommen die Menschen im Saal der Wilhelmskirche mit einem schnellen Wechsel zwischen hochdeutsch vorgetragenen Passagen und verschiedenen hessischen Parodien voll auf ihre Kosten. Auch hier erschöpft sich Renneisen nicht im Komödiantischen, sondern verweist etwa auf den großen Verlust, den die deutsche Theaterliteratur mit dem allzu frühen Tod von Georg Büchner erlitt, der wie Goethe und Jakob Grimm aus dem heutigen Hessen stammte.

Mehr als zwei Stunden sind wie im Fluge vergangen, als ein zufriedenes Publikum in die kalte Dezembernacht hinausströmt. Als Gewinner des Abends darf sich auch die evangelische Kirchengemeinde fühlen, die diese Lesung veranstaltet hat und die den Erlös aus dem Verkauf der Eintrittskarten dank der Großzügigkeit des Schauspielers für die Dachsanierung der Dankeskirche verwenden kann. Mit den rund 1.200 Euro dieses Abends ist der Spendenstand inzwischen auf über 60.000 Euro geklettert – bis zum Jahresende 2011 sollen es 100.000 Euro sein. Der Dank von Pfarrer Becke gilt deshalb einem künstlerisch gelungenen Abend ebenso wie dem guten Zweck, dem der Erlös diente.

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