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Luther-Musical

Martin L. - Das Musical

von Oystein Wiik und Gisle Kverndokk

Am Samstag, den 29. Oktober 2011, präsentierten die Evangelische Kirchengemeinde Bad Nauheim und der Fachbereich Kultur das Musical „Martin L.“ vom Theater Katakombe Frankfurt in der Dankeskirche Bad Nauheim.

Die Produktion heißt „Martin L.“, um sich nicht sklavisch an Luthers Biographie halten zu müssen. Da wäre nämlich keine Liebesgeschichte mit einer Erfurter Schönheit namens Ursula möglich gewesen. So aber ist das Liebesduett „Bleib bei mir“ als Ohrwurm im Musical ein fester Bestandteil. Doch das berühmte Gewitter, in dem Martin gelobt, ein Mönch zu werden, durchkreuzt beider Heiratspläne, Martin geht ins Kloster und auch Ursula wird Nonne. Während der Bauernaufstände kreuzen sich ihre Wege noch einmal.

Die historischen Daten jedoch sind korrekt. Tetzels Ablasshandel, der Reichstag zu Worms, Luther auf der Wartburg, die Bauernaufstände des Thomas Müntzer.

Das Musical zeigt die Jugend- und Studienjahre des Reformators bis zu den Bauernkriegen. Es setzt sich aber nicht nur mit der Person Luther auseinander, sondern auch mit einem Stück deutscher Geschichte, zeigt, wie die Politik Luther für Ihre Zwecke benutzt hat. Die fiktive Figur des Jörg - Luthers zweifelnde Seite - führt durch das Stück und blickt aus heutiger Sicht auf Martin L., stellt die Fragen nach dem Weg, den Luthers Ideen genommen haben und ihrer heutigen Bedeutung.

Pressestimmen zu Martin L.- Das Luther-Musical

Martin L., der junge Rebell
Ein Musical über den Reformator Luther gelingt

Es ist überliefert, dass Martin Luther ein sehr guter Sänger war. Was man sonst in "Martin L. - Das Luther-Musical" über den Reformator erfährt, muss nicht immer der Wahrheit entsprechen. Das ist von den Machern beabsichtigt. Papst Leo X. wird von einer Frau gespielt und der Ablassprediger Tetzel wirbt rockend für die Sünden-Freischeine des Papstes. Der grobe historische Rahmen stimmt aber: Das Publikum erfährt einiges über die politische Lage im Spätmittelalter, in der Luther (Jürgen Amonath) mit seinen Thesen Gefahr läuft, zum Spielball von Kaiser Karl V., dem Papst und einigen Fürsten zu werden.
Luther hatte einige brenzlige Situationen in seinem Leben. In der Alten Nikolaikirche in Frankfurt, die für das Thema die ideale Spielstätte ist, durchlebt er seine jungen Jahre im Parforceritt und mit starken Gesangseinlagen. Die Autoren des Stücks, Oystein Wiik und Gisle Kverndokk dichten ihm zunächst eine in dieser Form unwahrscheinliche Liebesgeschichte an, die endet, bevor sie richtig begonnen hat. Die junge Ursula (Felicia Groh) schmeißt sich an Luther ran und versucht ihrerseits auf beeindruckende Weise, sich in das Herz des jungen Mannes zu singen. Luther ist nicht abgeneigt, doch dann kommt jene Nacht, in der ihn ein Gewitter das Fürchten lehrt und er schwört, sich dem Glauben zuzuwenden.
So ist das neue Projekt in der 50. Spielzeit der Katakombe ein Spagat zwischen Dichtung und Wahrheit. Eben ein Musical: Neben Mönchsroben und dem Schlapphut Kaiser Karls V. tragen Luthers Zeitgenossen auch verschlissene Lederjacken oder Chucks, benutzen Anglizismen und singen im nächsten Moment doch wieder mit großem Ernst. Die Mischung aus Ernst und Ulk funktioniert, weil Luther den anderen die Späße überlässt. Er selbst tritt als tief religiöser, grübelnder Mensch auf. Um die inneren Konflikte zu verdeutlichen, ist Luthers Gewissen personalisiert. Ein gewisser Jörg begleitet den Helden. Er prüft Luthers Entscheidungen, indem er ihn dazu befragt und ihm ins Gewissen redet. Auch der Name Jörg ist kein Zufall. Luther nannte sich so, als er sich auf der Wartburg versteckte. Spannend der Konflikt mit Thomas Müntzer, dem Anführer des Bauernkriegs. Luther lehnt die politische Deutung der Biebel ab. Er kämpft für den richtigen Glauben, nicht jedoch für soziale Rechte und gegen Armut.
Frankfurter Rundschau vom 23.10.09

Luther in der Alten Nikolaikirche
Auch im 16. Jahrhundert war ein Gewitter nichts Ungewöhnliches, doch auf den Studenten Martin wirkt das Naturereignis so verstörend, dass er Karriere und Liebesglück an den Nagel hängt und im Kloster Besinnung sucht. Mit Blitz und Donner zwischen gotischen Spitzbögen beeindruckt auch die Technik der Katakombe . . . Eröffnet wird das Stück im Stil einer Posse, als Martin und seine Kumpane den Rivalen um die geliebte Ursula besoffen und damit bei der Schwiegermutter in spe unmöglich machen. Doch dann erfolgt der Fingerzeig Gottes, und die Rituale des Mittelalters wie der Gegenwart nehmen munter konstrastierend ihren Lauf. Und das führt von den Stufen der Kirchen und Klöster über die Plätze und Gassen des alten Reichs bis zu den Zentren weltlicher und geistiger Macht - das alles lässt sich im unkonventionell möblierten Sakralbau trefflich imaginieren.
Das Stück deutet die Parallelen vergangener und aktueller Ungerechtigkeiten an, entschlüsselt den Furor des Reformators als ferngesteuerte Kampagne im Wettbewerb wirtschaftlicher Interessen . . . Als Leute wie Thomas Müntzer und die aufständischen Bauern die moralisiernden Werbeslogans als Ruf der Freiheit missverstehen, werden sie mit Luthers Segen zur Raison gebracht.
Luthers Motivation wird im Dialog mit Jörg, dem Alter Ego des Kirchengründers wider Willen, angesprochen. Als mephistophelische Gestalt geistert er durch die Szene und durch den Kof des Helden, gibt der Träumen, den Sorgen und dem Gewissen eine Stimme und liefert manches Stichwort für die von allen Seiten durchs Kirchenschiff ziehenden historischen Gestalten.
Der Genius Loci wird in der Inszenierung von Carola Moritz mit gespenstischen Lichteffekten auf der kreuzförmig angelegten Bühne aktiviert. Die Rollen der Handelnden werden mit Kutte oder Dinnerjackett kenntlich gemacht, aber auch Uniformen und Schlapphüte verweisen auf die bedrohliche Mission ihrer Träger. Choräle gehören ebenso wie Songs oder Discorhythmen zur dem ewigen Leben geweihten, aber in mörderische Konsequenzen entgleisenden Liturgie.
FAZ v. 27.10.09

Hier steht er nun und kann nicht anders
. . . nun ist auch der alte Kircherneuerer zu Musical-Ehren gekommen. . . mitten in der altehrwürdigen Alten Nikolaikirche erfährt man etwas aus dem Leben  Luthers, vom Ablasshandel der römischen Kirchenoberen, von den Bauernaufständen eines Thomas Müntzer. Gekleidet wird die dramatische und eindringliche Handlung in die Musik des Norwegers Gisle Kverndokk . . .
Hier ist Luther, der glänzende Redner, der auch beim Reichstag in Worms die hohen Herrn in seinen Bann zog . . . dort gibt es aber auch den Prediger, der die Sprache der einfachen Leute spricht und versteht. Und der ein gesundes Misstrauen an den Tag legt: "Vor religiösen Schwärmern muss man sich in Acht nehmen" . . . wohl wissend , welches Unheil von religiösem Fanatismus ausgehen kann.
. . . Eine Anekdote blieben die Theatermacher der Katakombe, die im 50. Jahr ihres Bestehens ihr angestammtes Domizil am Zoo einmal verließen, dem Publikum schuldig. Bundeskanzler Adenauer (katholisch) soll einmal geäußert haben: "Also wenn ich damals Papst gewesen wäre, mir wäre dat mit der Reformation nit passiert. Ich hätte mir den Luther mal kommen lassen. Dat war doch ne ganz vernünftige Mann".
Frankfurter Neue Presse  v. 26.10.09

Neue Wege: Martin Luther als Musical-Held
Nicht nur "Jesus Christ - Superstar" ist in einem Musical verewigt worden, sondern auch der Reformator Martin Luther. Das Frankfurter Theater "Katakombe" hat das Stück der norwegischen Autoren Oystein Wiik und Gisle Kverndokk nun auf die Bühne gebracht und will 2010 auf Tournee quer durch Deutschlands Kirchen gehen.
Zugegeben: Wer nicht unbedingt ein Fan von Musicals ist, der dürfte auch mit "Martin L. - Das Luther Musical" seine Probleme haben. Wem aber etwas Kitsch, pathetischer Gesang und etwas Lockerheit im Umgang mit dem Reformator Luther gefallen, der kommt in der Inszenierung von Carola Moritz (Assistenz: Birgit Reibel) voll auf seine Kosten. Ein Stück, das vielleicht auch Menschen in Kontakt mit Luther bringt, die sonst nicht so leicht einen Zugang zu dem Reformator finden.
Das Musical zeichnet Luther Lebensweg von der Studentenzeit bis nach den Bauernaufständen nach. Machtkämpfe, Streit in der Kirche und Auseinandersetzungen mit Thomas Münzer werden thematisiert. Und weil ein Musical offenbar eine Liebesgeschichte braucht, erzählt das Stück in der ersten halben Stunde historisch nicht ganz korrekt davon, wie Luther  (Jürgen Amonath) sich in die junge Ursula (Felicia Groh) verliebt. Und vielleicht wäre aus den beiden auch ein Paar geworden, wäre da nicht dieses sagenumwobene Gewitter gewesen, das Luther dazu veranlasste Gott zu geloben, Mönch zu werden. So endet das junge Glück: Luther wird Mönch, Ursula wird Nonne.
Was folgt sind die wichtigsten Stationen aus dem Leben Luthers: Der Thesenanschlag, der Reichstag zu Worms, die Entführung auf die Wartburg und schließlich Luthers Parteinahme in den Bauernkriegen, als er den Fürsten riet, den Aufstand niederzuschlagen.
Fetzig inszeniert
Das alles ist fetzig inszeniert. Und dass als Bühne in Frankfurt die Nikolaikirche dient, tut dem von der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau mitfinanzierten Stück gut. Sie bildet einen Kontrast zu den modernen Kostümen der Darsteller, auf deren T-Shirts Slogans wie "Let me entertain you" stehen. Der Papst ist auch in der Inszenierung der Katakombe eigentlich eine Päpstin (Gabriele Nickolmann), die mit Security durch die Gänge der Kirche schreitet, geradezu vor Raffgier trieft und "Was für ein prächtiger Tag - Mit Gott im Verein sind wir stark" singt. Für echte Lacher sorgte bei der Premiere des Stückes Jan Reimnitz als Johann Tetzel, der in einer Revuenummer mit Stepptanz-Einlage für seine Ablassbriefe warb: "Steckst du voller Sünden, Mann, für 'ne Mark oder drei, bist du gleich sündenfrei, fängst noch mal von vorne an."
Anders als der Film "Luther" geht das Musical mit einigen Figuren - nicht zuletzt Luther selbst - durchaus kritisch um. Friedrich der Weise (ebenfalls Jan Reimnitz) erscheint nicht als gütiger Onkel a lá Peter Ustinov, der sich gut um Luther kümmert, sondern als knallhart kalkulierender Politiker, der im Ablasshandel des Papstes ein Konkurrenzgeschäft zu eigenen Aktivitäten sieht und Luther daher für seine Zwecke einspannt. Luther wiederum ist kein Held, als er den Fürsten empfiehlt, den Bauernaufstand niederzuschlagen. "Würgt, stecht und schlagt ihn tot! Foltert ihn, bis er verreckt. wenn so ein Bauernknecht sich hinter Christi Wort versteckt." Luthers Schattenseiten, zum Teil aber auch seine Selbstzweifel, werden in dem Stück immer wieder durch Dialoge mit der Figur des Jörg (Markus Dinhobl) thematisiert, letztlich Luthers Alter Ego. Das Stück bleibt dadurch nicht an der Oberfläche. Stets findet auch eine Reflektion dessen statt, was Luther tat und vermutlich dachte. Im Musical ist es nicht der Teufel, nach dem Luther das Tintenfass wirft, es ist Jörg, also quasi der Teufel in Luther selbst.
Eindringliches Bild
Regelrecht eindringlich erscheint dann auch das letzte Bild des Musicals. Thomas Müntzer, hervorragend verkörpert von Biagio Spatola, wird von zwei Soldaten in Tarnkleidung gefesselt abgeführt. Er trägt eine Tüte über den Kopf, das Bild erinnert an Aufnahmen aus dem Gefangenenlager Abu Graib. Das Licht geht aus, auf einer E-Gitarre ertönt das von Luther komponierte Lied "Ein feste Burg ist unser Gott."
Ziel des Stückes ist es nicht nur zu unterhalten, sondern auch Wissen über Luther zu vermitteln. Dies gelingt zu weiten Teilen. 2010 soll das Stück auf Tournee durch Kirchen in Deutschland gehen. Geplant sind schon Stationen in Wittenberg, Augburg und Fulda. Für Schulklassen hält die Katakombe Material über Luther und das Thema Reformation bereit.
Epd, Okt. 2009

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